Kirchenasyl ist eine der letzten Hilfen gegen die unmenschliche Abschiebungs-Praxis der Behörden: In Pfarrhäusern können Geflüchtete bisher ihre Zeit des Widerspruchs und Verwaltungs-Gerichtsverfahren abwarten, ohne sofort in ferne Abschiebe- und ausländische Flüchtlingslager abgeschoben und von der Familie getrennt zu werden.
Gegen die Nürnberger SchülerInnen, die gewaltfrei gegen die unrechtmäßige Abschiebung ihres Mitschülers aus der Berufsschule protestierten, stehen auch noch Anzeigen der Staatsanwaltschaft, auch wenn drei evangelische Pfarrer die Situation absolut anders als das Sondereinsatzkommando beurteilen und bezeugen.
Nun stellte sich heraus, dass viele Geflüchtete auf den Abschiebe-Listen stehen, die gar nicht da hin gehören, weil „die Datensätze nicht gepflegt werden“.
Die Staatsregierungen haben in der Angst vor der AfD ihre Behörden zur vermehrten Abschiebung aufgefordert, aber die Rechtslage erfordert die Einhaltung von Gesetzen, Fristen und Widerspruchs-Möglichkeiten, denn viele der Entscheidungen werden schlampig am Schreibtisch ohne Gespräche geführt, aus fertigen Textbausteinen die Reaktionen auf die Anhörung abgeschickt.
Helferkreise treten gemeinschaftlich gegen die schlimmsten Übergriffe vor, die Kirchen spielen eine immer wichtigere Rolle im Hinweis auf die Menschenrechte, die bei den meisten Mitbürgern der Zweckmäßigkeit unterliegen.
Demo und Workshops gegen das Dublin-System und Abschiebungen
am 19ten August 2017 in München
Die Sierra Leone Community lädt in Kooperation mit Refugee Struggle For Freedom und The Voice zu einer Demonstration am 19ten August 2017 in München.
Unter dem Motto „Stopp aller Abschiebungen, Abschaffung des Dublin-Systems und Bewegungsfreiheit für alle“ werden geflüchtete Personen und solidarische Menschen ab 13:00 Uhr am Hauptbahnhof in München laut werden.
Erwartet werden vor allem Personen aus dem Raum Bayern, viele kommen aber aus ganz Deutschland angereist. Nach der Demonstration wird eingeladen, Workshops in englischer Sprache zu besuchen.
Übersetzungen in andere Sprachen sind möglich. Ab 18:00 Uhr hält Arrival Aid einen Input zu „Wie kann ich mich auf mein eigenes Interview vorbereiten“. Die Macher_innen der Broschüre „Erstinformationen für Asysuchende in Bayern“ werden im Anschluss einen Vortrag halten. Zeit für Erfahrungsaustausch und Fragen ist gegeben.
„Wissen über die eigene Situation im Asylverfahren ist nicht nur Schutz vor Abschiebung, sondern auch der Schlüssel zu Selbstbestimmung und der Verringerung von Abhängigkeiten zu Helferkreisen.“ (Aunty Hawa, Sprecherin der Sierra Leone Community sowie Mitglied von Refugee Struggle For Freedom)
„Das Dublin-System sowie Abschiebungen sind Menschenunwürdig, wir müssen für unsere Bewegungsfreiheit kämpfen.“ (Osman Jalloh, Sprecher der Sierra Leone Community sowie Mitglied von Refugee Struggle For Freedom)
Demonstration: 13:00 – 16:00 Uhr, Auftakt am Hauptbahnhof, München
Pressemitteilung des Bayerischen Flüchtlingsrats, 03.08.2017
Kirchenasyl darf auch in Bayern nicht strafbar sein!
Bayerische Justiz verfolgt Gewährung von Kirchenasyl als Beihilfe zum illegalen Aufenthalt /
Christliche Nächstenliebe wird im christlich-sozial regierten Bayern unter Strafe gestellt /
Flüchtlingsrat: Justizminister Bausback muss die Verfolgung des Kirchenasyls sofort beenden!
Die bayerische Justiz hat ihre Gangart gegen Pfarrer*innen, Kirchenvorständ*innen und Diakon*innen, Ordensbrüder und -schwestern massiv verschärft. All diejenigen, die Kirchenasyl gewähren, werden nun als Straftäter*innen wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt verfolgt.
Bei der erstmaligen Gewährung von Kirchenasyl soll es nur eine Anhörung durch die Polizei und eine Einstellung des Verfahrens geben. Im Wiederholungsfall soll das Verfahren nur noch gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt werden. Wer sich dann erneut strafbar macht, muss mit Geld- und Gefängnisstrafen rechnen.
Auf diese Handhabung des Kirchenasyls haben sich laut Medienberichten die bayerischen Generalstaatsanwälte im September 2016 verständigt, alle bayerischen Staatsanwaltschaften sind über dieses Vorgehen informiert und sollen dieses Verfahren ebenfalls anwenden. Nach unserer Kenntnis tun sie das bereits.
Die Kirchen gewähren Kirchenasyl nur in humanitären Ausnahmefällen, wenn zum Beispiel Flüchtlinge in andere EU-Staaten abgeschoben werden sollen, ihnen dies aber nicht zumutbar ist, eine Abschiebung die Eheschließung verhindern würde o.ä.. Die Kirchenasyle sind temporärer Natur und gemeinsam mit den zuständigen Behörden soll im jeweiligen Einzelfall eine menschenwürdige Lösung gefunden werden.
In keinem Bundesland wird die Gewährung von Kirchenasyl als Straftat verfolgt, sondern als humanitäres Korrektiv wahrgenommen, das auf Missstände hinweist. Nur Bayern hat diesen Konsens verlassen und verfolgt nun das Kirchenasyl als Beihilfe zum illegalen Aufenthalt – obwohl gar kein illegaler Aufenthalt vorliegt, da die Behörden über Namen und Anschrift der Personen im Kirchenasyl informiert sind.
In der vorausgegangenen Diskussion im März 2017 warf Justizminister Winfried Bausback dem Bayerischen Flüchtlingsrat vor, von falschen Prämissen auszugehen. Er „sage ganz klar: Es gibt keine Verschärfung der strafrechtlichen Verfolgung des Kirchenasyls (…). Die Staatsanwaltschaften berücksichtigen aber die Besonderheiten eines jeden Einzelfalles und gehen mit Augenmaß vor. Insbesondere machen die Staatsanwaltschaften auch von der Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit Gebrauch“ (Pressemitteilung des Bayerischen Justizministeriums vom 23.03.2017).
Doch nun zeigt sich: Bayerns Justizminister hat genau dieses Augenmaß verloren. Die ihm unterstellten Behörden haben mit der strafrechtlichen Verfolgung des Kirchenasyls begonnen und verhängen für die wiederholte Gewährung von Kirchenasyl systematisch Strafbefehle und damit Geld- oder Gefängnisstrafen. Dies stellt eine massive Verschärfung der bisherigen Praxis dar.
„Kirchenasyle sind Ausdruck der gelebten christlichen Nächstenliebe. Dass diese christliche Nächstenliebe gerade im christlich-sozial regierten Bayern unter Strafe gestellt wurde, ist an Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten“, kommentiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Wir fordern Justizminister Bausback auf, dafür zu sorgen, dass diese Praxis schleunigst beendet wird. Kirchenasyle sind keine Beihilfe zum illegalen Aufenthalt und dürfen nicht strafrechtlich verfolgt werden!“
Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an:
Alexander Thal | 0911-99445946
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jetzt bin ich gespannt, wer gerne Seehofers heutige Solidaritätsbekundung mit den Kirchenasyl gewährenden und von bayerischen Staatsanwaltschaften
heimgesuchten Pfarrer_innen annimmt:
„Seehofer sagt Pfarrern Unterstützung beim Kirchenasyl zu
Kempten: Ministerpräsident Seehofer hat den beiden großen Kirchen in Bayern Unterstützung beim Kirchenasyl zugesichert. In einer Rede auf der Allgäuer Festwoche sagte der CSU-Chef, im Freistaat stehe die Humanität an erster Stelle. An evangelische und katholische Kirchenvertreter gewandt fügte er hinzu, da haben sie auch immer die Unterstützung der
Staatsregierung. In Bayern hatten zuletzt mehrere Staatsanwaltschaften Ermittlungen gegen Pfarrer aufgenommen, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewähren. Den Kirchenvertretern wird Beihhilfe zum unerlaubten Aufenthalt vorgeworfen.“
Quelle: B2/KL/Dig 12.08.2017 14:00
http://www.br.de/nachrichten/meldungen/nachrichten-bayerischer-rundfunk100.html
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Sa, 2017-08-12 15:39 Kempten (dpa)
Seehofer sagt Pfarrern Unterstützung bei Kirchenasyl zu
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat den Kirchen Unterstützung beim Kirchenasyl versprochen. Er will bei dem Thema keine Bayern-Lösung, sondern sich auch über die Landesgrenzen hinaus abstimmen.
Kempten (dpa) – Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat den beiden großen Kirchen in Bayern Unterstützung beim Kirchenasyl zugesichert. «Ich habe immer darauf hingewiesen, dass für uns in Bayern an erster Stelle die Humanität steht», sagte er am Samstag in einer Rede auf der Allgäuer Festwoche in Kempten. «Da hatten und haben sie auch immer die
Unterstützung der bayerischen Staatsregierung», sicherte er evangelischen und katholischen Kirchenvertretern zu.
In Bayern hatten zuletzt mehrere Staatsanwaltschaften wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt Ermittlungen gegen Pfarrer aufgenommen, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewährten. Laut Seehofer ist die Zahl der Flüchtlinge in Bayern nicht so hoch, dass «radikale Schritte» wie die Ermittlungen gegen Pfarrer gerechtfertigt wären. Seehofer kündigte an,
Bayerns Haltung mit den anderen Bundesländern abzustimmen. «Ich lege Wert darauf, dass wir das in Bayern nicht anders machen, als es 15 andere Bundesländer auch tun», sagte er.
Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) hatte im April das Kirchenasyl als christliche Tradition beschrieben und gleichzeitig betont, dass es aber auch kein rechtsfreier Raum sei. Pfarrer machten sich dann nicht strafbar, wenn es den Kirchen gelinge, beim Bundesamt für Migration eine Aufhebung des Abschiebungstermins zu erwirken. Gelinge dies nicht,
müssten die Kirchen die endgültige Entscheidung der Behörden respektieren.
In Bayern nahmen zuletzt mehrere Staatsanwaltschaften wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt Ermittlungen gegen Pfarrer auf, die von der Abschiebung bedrohten Flüchtlingen Kirchenasyl gewährt hatten.
Die Bayern-SPD forderte am Samstag die CSU auf, in Sachen Kirchenasyl ihrem Parteichef zu folgen. «Es ist sehr erfreulich, dass der bayerische Ministerpräsident (…) offenbar endlich zur Vernunft gekommen ist und die Kirchen unterstützen will. Jetzt muss der Rest der CSU folgen und die Staatsregierung mit einer Stimme sprechen!», sagte der
Fraktionsvorsitzende Markus Rinderspacher laut Mitteilung.
Im vergangenen Jahr gab es in Bayern nach Angaben von Oberkirchenrat Michael Martin 225 Fälle von Kirchenasyl in evangelischen Pfarreien. Demgegenüber stünden etwa 700 Fälle, in denen durch Beratung und die Suche nach anderen Lösungen ein Kirchenasyl verhindert werden konnte. Ende März gab es den Angaben zufolge 65 Kirchenasyle und 19 Ermittlungsverfahren in den rund 1500 Kirchengemeinden in Bayern.
“ es kann ganz einfach gehen. Seehofer ist über dem Justizminister. Der Justizminister ist oberster Chef der Staatsanwaltschaft. Es braucht nur eine Anordnung: Keine Ermittlungen wegen Kirchenasyl und schon ist Ruhe.“
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