Forumtheater
Odierna/Woll (Hg): Visionen der Veränderung

Forumtheater nach A. Boal. Theorie, Entwicklungen, aktuelle Positionen und Perspektiven ISBN 3930830602 – 2021 – 220 S. 19 Euro
Das Forumtheater nach Augusto Boal bringt Veränderungsprozesse in Gang. Es ist Theater, das „Politik macht“. Lernprozesse werden in Gang gesetzt, die kulturelle Bildung öffnet sich politischen Veränderungsprozessen. Die gemeinsame spielerische Suche nach ungewöhnlichen Problemlösungen spricht nicht nur die rationale Seite des Menschen an, sondern auch seine emotionale, seine lustbetonte und setzt somit Impulse zu neuen Denk- und Handlungsweisen frei.
Mittlerweile gibt es eine vielfältige Praxis an Theaterarbeit, die sich auf Boal beruft, es gibt Praxisforschung und wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema. Aber es bedarf in mancherlei Hinsicht einer Einordnung, eines Überblicks und einer Handreichung.
Das Werkstattbuch versucht den Kraftfeldern des Theaters der Unterdrückten – und insbesondere des Forumtheaters – zu folgen, den Blick für eigene und politische Veränderungsprozesse zu öffnen und Motivation freizusetzen, mit dieser ungewöhnlichen Theaterform zu arbeiten. Die Erfahrungen aus der Bildungsarbeit und den verschiedensten sozialen und kulturellen Bereichen haben gezeigt, dass der Sprung in die Praxis eine Herausforderung bleibt, den es zu unterstützen gilt. Das Werkstattbuch ist ein Schritt in diese Richtung.
Den Blick nach vorne und unseren Wünschen auf der Spur, hoffen wir mit dem Band das spannende Wechselspiel der Ressourcen aus und in der Praxis weiter anzuregen. www.agspak-buecher.de
Mit Beiträgen von: Till Baumann, Bettina Brandi, Anne Dirnstorfer, Birgit Fritz, Bastian Fritz, Albert Fußmann, Harald Hahn, Eva Heinloth-Warkotsch, Peter Igelmund, Norbert Knitsch, Lisa Kolb-Mzalouet, Ken Kupzok, Petra Lemke, Uta Lemke, Fritz Letsch, Gitta Martens, Roberto Mazzini, Bernd Müller, Simone Odierna, Rüdiger Schilling, Angelika Schlößer, Michael Thonhauser, Jürgen Weintz, Katrin Wolf
Harald Hahn hatte 2018 ein neues Buch bei den Berliner Schriften im ibidem-Verlag:
Harald Hahn: Theater der Unterdrückten als Mosaikstück gesellschaftlichen Wandels – Einblicke, Ansichten und Projekte – Paperback 19,90 € auf 214 Seiten ISBN: 9783838212159
Dieser Sammelband gibt einen Einblick in verschiedene Theaterprojekte, in denen mit den Methoden des Theaters der Unterdrückten gearbeitet wird.
Die hier versammelten Praktiker*innen zeigen ihre individuellen Wege mit dem Theater der Unterdrückten und wie weitere Theaterrichtungen von Clownerie oder Improvisationstheater über Theater zum Leben und Applied Action Theater bis hin zur Theatertherapie ihre künstlerische und kreative Arbeit bereichern.
Deutlich wird dabei die Relevanz des Ansatzes Augusto Boals für die gesellschaftspolitischen Themen, die unsere Zeit wie keine anderen prägen:
Ob soziale Ungleichheits-Erfahrungen, der individuelle und gesellschaftliche Anteil am Klimawandel oder Debatten rund um Asyl und Menschenrechte – die hier vorgestellten Projekte legen dazu nicht nur wichtige Fragen frei, sondern zeigen exemplarisch, wie die Methoden aus dem Theater der Unterdrückten aktives politisches Hinterfragen und Handeln von Subjekten stärken.
Vervollständigt wird der Sammelband durch einen Praxisteil mit den Lieblingsübungen der Autor*innen als Anregung für die eigene theaterpädagogische Praxis. Mit Beiträgen von Stephan Antczack, Sophia-Marie Bömer, Jens Clausen, Birgit Fritz, Harald Hahn, Sanjay Kumar, Fritz Letsch, Özge Tomruk, Friderike Wilckens-von Hein
Theater: Die Erzeugung eines denkenden Feldes
Die Kunst der Theaterpädagogik, des Theaters und der Bühne sind verschiedenartig beschrieben worden,
je nach Herkünften und Sichtweisen, ich will hier die pädagogische und soziale Kommunikation in den Vordergrund stellen:
Ein Theaterworkshop beginnt damit, eine Teilnehmenden-Gruppe in eine arbeitsfähige Kommunikation zu bringen: Zeit und Raum verlässlich definieren, Übungen als Selbst-Erforschung von Körper und Ausdruck, und gelegentlich als gegenseitige Verantwortung.
Dann beginnen Denk-Reihen und Lern-Abläufe, die ich inzwischen sehr minimalistisch gestaltet habe:
- Körperübungen in der Reihenfolge der Glieder und Gelenke von unten her,
- szenische Bilder-Aufbauten in fünf Schritten zu Statuen und Dialog-Figuren
- gesellschaftliche Tabus als Faustregel der theaterpädagogischen Anleitung
- Das Spiel „Hilf, Schwester, hilf“ als zentrales Opfer-Täter-Wechsel-Modell
- generative Themen als persönlicher Ansatz für Veränderungs-Wünsche
In einer offenen, nicht geregelten Gruppe wie an der Hochschule oder einer fest vereinbarten Seminar- oder Theatergruppe wäre so eine knappe und kurze Fassung selten möglich, weil Diskussionen zum Sinn oder Vorgehen die Köpfe beherrschen würden.
Die Kunst der Erzeugung einer konzentriert arbeitenden Gruppe ist nicht das selbe wie eine konzentrierte Zuhörerschaft:
Die gemeinsame Bilder-Sprache wird angewandt und variiert, braucht gelegentlich auch einen Test ihrer Grenzen, Rückfragen.
Im Theater der Unterdrückten tauchen schon immer die extremsten Belastungen von Teilnehmenden auf, die sie nun einer Gruppe vorstellen wollen. Dann ist das Thema reif, die Selbst-Heilung in Gang. Keine Angst, aber Aufmerksamkeit gegenüber Re-Traumatisierung:
Das ist die Erfahrung, dass unachtsamer Umgang mit Verletzungen zu neuen Wunden führt, und zum Gefühl, unheilbar verwundet zu sein, wenn alle anderen ständig Angst davor haben. Eine schwierige Erfahrung unbegleiteter Selbsthilfe-Internet-Foren und Betroffenen-Seiten, die dann ständig von Thrill und Triggern gebeutelt sind.
Dann kommt die Arbeit an den Bedenken: Arbeit in Szenen mit traumatisierten Personen?
Der dreifache Schritt in die Lösung einer Problematik von einer Person
- Eine Person erstellt eine Szene, die für sie belastenden Druck darstellt. (Sozial-Arbeitende fürchten das Trauma!)
- Die szenische Gruppe übernimmt das Thema, fühlt sich ein und stellt es der Person und den KollegInnen vor
- Die Person erlebt die Einfühlung und die Änderungs-Versuche der Gruppen-Mitwirkenden und der Joker
Die Nachgespräche in der Gruppe müssen sorgsam nachfragen, was sich bewegt, verändert hat, wie die Bewältigung wirkt.
Vor einer Präsentation vor einem Publikum sind die nächsten Stufen zu klären:
- Soll die Szene anonymisiert, verallgemeinert, verfremdet werden, um sie freier zur Verfügung zu stellen
- Will die vorstellende Person beteiligt sein und in welcher Rolle
- Wie werden die Interventionen des Publikums verarbeitet, soll die Anonymität gewahrt werden?
Nach der Aufführung: Bleibt die Gruppe als schützendes begleitendes Feld oder verschwindet sie im Alltag?
Paulo Freire
Paulo Freire (* 19. September1921 in Recife; † 2. Mai1997 in São Paulo) war ein in Theorie und Praxis einflussreicher brasilianischerPädagoge und weltweit rezipierter Autor. Vor vielen Jahren begannen wir diesen Wikipedia-Eintrag …
Augusto Boal
1931 in Rio de Janeiro, Brasilien geboren, gilt als einer der wichtigsten Theatermacher und Theatertheoretiker.
Sein Anspruch ist, mit Theater die Realität nicht nur zu interpretieren, sondern diese auch zu verändern. Während seiner Exilzeit in Europa beinflußte er auch die hiesige Theaterpädagogik und bekam 1994 von der UNESCO die Pablo-Picasso-Medaille.
Boal entwickelte die Theaterformen „Theater der Unterdrückten“, „Forumtheater“ und „Unsichtbares Theater“ und Legislatives Theater. Zuletzt stellte er ein Buch fertig, die „Ästhetik der Unterdrückten“, in dem er darlegt, wie uns der Unterhaltungsmüll reaktionsunfähig macht und wie wir zu internationaler Solidarität zurückkommen.
http://fritz-letsch.eineweltnetz.org/augusto-boal
Bert Brecht
War Vorbild in seiner Forschung nach neuen interaktiven Kommunikationsformen im Theater,
Erwin Piscator
war als früher Dramaturg, Regisseur, Intendant dann im amerikanischen Exil auch Theaterpädagoge für Judith Malina, die über Jahrzehnte das Living Theater prägte.
Forumtheater als forschendes Feld – Theaterpädagogik als forschendes Leben
Fritz Letsch, Theaterpädagoge.
So stelle ich mich jetzt oft vor, wenn ich in Schulklassen oder mit Geflüchteten in die Sexualpädagogik einsteige, und erkläre ihnen noch knapp, was ich da machte:
Szenen und Stücke entwickeln, Leute auf die Bühne bringen, den Ausdruck verbessern, die Regie führen und am Schluss auch noch das Gespräch mit dem Publikum organisieren.
Dann kommen ein paar Jahrzehnte Fortbildungen und Arbeit in der Psychotherapie, in politischen Kampagnen und geschichtlichen Projekten, in Aus- und Fortbildungen der Altenpflege, im Teambuilding und in der gemeinnützigen und genossenschaftlichen Unternehmens-Entwicklung.
Themen wie Unrecht in der Psychiatrie, die selbstgerechte Juristerei, der Rückschritt der Beteiligung in der Erwachsenenbildung wie in den Schulen durch Medien, die ansteigende Angst vor Theater …
Sexualpädagogik ist nicht umsonst immer noch eines der heißesten Tabus unserer Gesellschaft, und in den Fortbildungen eine kritische Sache: das wachsende Kinderwunsch-Geschäft und die abnehmende Fruchtbarkeit durch Gesundheits- und Umweltbelastungen …
… und die weitgehende Unfähigkeit der Eltern, angemessen mit ihren Söhnen zu reden, bei den Töchtern scheint die Notwendigkeit noch größer.
Forumtheater
war schon einmal ein gefragter Artikel in der innovativen Bildungsarbeit, zwischen Fortbildungen der Jugendarbeit, Evangelischen Akademien, in der politischen Bildung, sogar geprüft und anerkannt durch die Bundeszentrale für politische Bildung, Fortbildungen für Lehrer, Pfarrer, mit GemeindepädagogInnen und „Krankenhauspersonal“ in der Friedensarbeit im Ost-Untergrund und im ASA-Programm der Carl-Duisberg-Gesellschaft zur Vorbereitung von Auslands-Studien-Aufenthalten.
In der Supervision von besonders kreativen Teams
wie psychologischen Beratenden, sozialen Kontaktstellen, fachlichen PädagogEn … wenn es um intensive Zusammenarbeit, aber auch um die eigenen Arbeitsbedingungen und das politische Umfeld geht: Wie vertreten wir uns und die Themen unserer Klientels nach draußen?
Neben Zukunftswerkstätten in der Tradition von Robert Jungk
können die Methoden der Theaterarbeit manche Themen anschaulich machen, wenn die Gruppe mit den Methoden schnell vertraut gemacht worden ist. Da reichen oft schon kleine Erlebnisbilder und Szenen der zukünftigen Auseinandersetzung.
Die Anfänge in den achtziger Jahren: Friedensbewegungen
In den Trainingskollektiven für Gewaltfreie Aktion, in neuen Projekten der politischen Bildung in Ost und West war die Verbreitung groß, waren Kurzfassungen in den Handbüchern zwar oft zu mager, aber viele fanden dabei den Einstieg in andere Kommunikationsformen.
Gleichzeitig gab es die neuen Theaterfestivals
in München, Berlin und weiteren Städten: Damals hatten wir noch Zwei-Wochen-Workshops mit Augusto Boal, nach Einstiegs-Wochenenden, und in Beteiligung aller Theater-Berufe und -Sparten. Sofortige Aktionen und ihre Nachbesprechung begleiteten zum Beispiel den Reagan-Besuch in Berlin.
Bewusstseinsbildung würde heute Kritische Theorie heißen
Der Europäische Arbeitskreis Bewusstseinsbildung wurde zur Paulo-Freire-Gesellschaft, die Zeitschrift für befreiende Pädagogik brachte die Ideen und Praxis der gemeinsamen Lern-Strategien für ein welt-bewusstes Leben, arbeitete zur Lern-Autonomie, im Gegensatz zum Stoff-Plan der Schulen.
Die Arbeit am Tabu – meine Faustregel entstand aus der Praxis:
Der Daumen steht bei den Handlinien für das Ich, in meiner Faustregel für die Sexualität. Keine Lernorte, keine angenehme Sprache, aber gezielte Vermarktung und massive Personenzerstörung durch Anreizung, Moral und Schuldgefühle sind die deutlichsten Anzeichen.
Der Zeigefinger wird für das Du benutzt, in meiner Faustregel für das Thema Geld, das unsere Beziehungen bestimmt. Von den Sprüchen „Geld verdirbt die Freundschaft“ und „Über Geld spricht man nicht, Geld hat man“ bis zur Frage nach Reichtums- und Klassenunterschieden und das geistige Verbot des Wortes ‚Kapitalismus‘ ist es von Geheimniskrämerei umgeben und könnte unsere Beziehungen sehr gut offenlegen.
Der Mittelfinger ist dem Thema Religion oder auch dem Sinn des Lebens zugeordnet. Entweder das Fertigpack einer Konfession, oder die Do-it-yourself-Version von Atheismus und Freidenkern; Taufe, Initiation, Hochzeitsritus und Begräbnis inbegriffen oder nicht… ein offenes Gespräch jenseits der Vokabeln der Pfarrer ist kaum möglich.
Der Ringfinger ist den längerfristigen Beziehungen zugeordnet, in meiner Arbeit den Themen Krankheit, Tod, Abschied, also den Störungen dabei. Vor allem die Trauer, die Zulässigkeit tiefer Gefühle und ihr gesellschaftlicher Ausdruck sind so behindert, daß Beerdigungen und Abschiede sehr oft in peinlichen Formalismen stecken bleiben.
Der kleine Finger übernimmt die restlichen Themen von abweichendem Verhalten: Anders sein. Lesbisch oder schwul, behindert oder farbig, andersgläubig oder für eine Gesellschaft unpassend, alle Außenseiter wie auch Berühmtheiten, inbegriffen. Die Angst vor dem Fremden bleibt sprachlos und aggressiv, wird in Witzen und Unterstellungen oberflächlich abgehandelt.
Gemeinsame Eigenschaften aller Tabus:
Es fehlt die Sprache, sie wirklich treffend anzupacken, gleichzeitig liegt eine Geschwätzigkeit der Ablenkung darüber. Paulo Freire verwendet die Begriffe ‚Mythos‘ und ‚Kultur des Schweigens‘: Wir haben immer gute Gründe, nicht darüber zu reden. Wenn wir es trotzdem wollen, geht es nicht: Wir kommen vom Thema ab, werden unruhig, müssen rauchen… Wenn wir plötzlich müde werden, gähnen, Kopfschmerzen bekommen – und auf einmal gar nicht mehr wissen, was wir gerade wollten: dann haben sie gut gearbeitet, unsere Polizisten im Kopf.
Es ist gut, viel über sie zu wissen, aber es ist so unsinnig wie bewaffneter Kampf gegen Panzerwagen, wie Militär gegen Terrorismus, mit Gewalt gegen sie losziehen zu wollen. Weil sie von unserer eigenen Angst genährt sind, können wir sie nur sanft und nach ihren eigenen Prinzipien, mit gewaltfreier Methodik und Intelligenz, überlisten.
Internationale Konferenzen und Fortbildungen entwickelten unsere Methoden
1994 war Paulo Freire in München, forderte uns auf, unser schlechtes Gewissen zu lassen: Ein Hindernis für De-Kolonialismus. Arbeit mit Geflüchteten auf Privic in der kroatischen Adria, ein Inseldorf begegnet „feindlichen“ bosnischen Jugendlichen und Frauen in der Unterkunft
1995 Fortbildung und Konferenz mit Augusto Boal in Gauting und München, und später mein Workshop im Museum der Revolution auf Cuba
1996 Zweite geplante Reise von Paulo Freire durch Deutschland, doch die geplante Begegnung mit Jürgen Habermas musste aus gesundheitlichen Gründen abgesagt werden
1997 Internationale Treffen mit Augusto Boal in Toronto (Ripple Effect, mit KollegInnen aus aller Welt, herausragend Indien und Japan) mit etlichen Workshops und Aufführung des „Regenbogen der Wünsche“ und im Herbst kollegiale Workshops und Fortbildung mit Augusto Boal in München, Besuch beim Kulturreferenten
1999 mit Augusto Boal in München Europäische Konferenz zum Legislativen Theater: Symbolism in Munich und die praktische Umsetzung von fünf sehr treffenden Themen im Rathaus
2000: Curingas, die Mitarbeitenden von Augusto Boal in Rio, auf der Reise durch die Forum-Szene in Deutschland
Kopftuch-Szenen im Bayrischen Landtag, Tübingen, Lingen, Berlin, Bielefeld …
2004 in Linz: Wieder wieder einmal Arbeiterkammer …
Hochschulen, Angewandte Sozialwissenschaft München und Regensburg, Berlin, Halle, Ottersberg, Kunstakademie …
Volkstheater-Elemente, Bauerntheater, Geschichtsarbeit, Altenpflege, Seniorentheater: Zwei Modelle, Die Räuber von Menzing
Psychotherapie: Forumtheater und Gestalt
Demokratie? Räte-Gedanken …
Bewusstseinsbildung statt Stoff-Vermittlung
Die Sehnsucht nach wirklicher gemeinschaftlicher Selbstbestimmung
Legislatives Theater
Zukünftige Gesetze und Räte erspielen
Das **Forumtheater** als zentrale Methode im Theater der Unterdrückten von Augusto Boal bezieht sich auf die Pädagogik der Unterdrückten von Paulo Freire, weitergeführt zur Pädagogik der Befreiung und zur Pädagogik der Hoffnung und der Autonomie.
Aus dem Forumtheater wurde im gemeinschaftlichen Forschen und Lernen auch das Bilder- und das Zeitungstheater entwickelt, das Unsichtbare Theater entstand unter den Situationen der Diktatur und Unterdrückung, das Legislative Theater in den Situationen der Befreiung und der parlamentarischen Macht-Kontrolle.
Mit einer Ästhetik der Unterdrückten schloss Augusto Boal kurz vor dem 2. Mai 2009 sein Lebenswerk ab, auf den Tag 12 Jahre nach Paulo Freire, dessen Gedächtnis wir 1997 in Toronto beim internationalen Festival des Theater der Unterdrückten begangen hatten.
Forschendes Feld und Forumtheater in den Wissenschaften
Alphabetisierung, wie sie Paulo Freire später für den Weltkirchenrat in den französisch-sprachigen Ländern Afrikas verbreitete, entstand als Grund-Idee in einer konkreten Situation in Brasilien: Eine gemäßigte Regierung zwischen den Militär-Diktaturen hatte in den 60er Jahren vor Wahlen angekündigt, dass nur Leute, die Lesen und Schreiben können, auch zur Stimmen-Abgabe zugelassen werden.
Im Nu hatten die Studierenden mit Paulo Freire einen Plan: Wenn sie in den nächsten Semester-Ferien in ihre Heimatdörfer zurückkehren, führen sie alle dort einen schnellen Grundkurs für alle Bewohnenden ihres Dorfes durch:
Lesen und schreiben der wichtigsten Wörter, der generativen Themen der Menschen, ist innerhalb ein paar Tagen möglich: Die portugiesisch-brasilianische Sprache baut auf wenigen wiederkehrenden und variierten Silben auf, die Schlüsselthemen der MitbürgerInnen zwischen Arbeit, Wasserversorgung und aktuellen Sorgen waren schnell in Worten gesammelt und ausgetauscht, für die Wahlen erschlossen.
Lernen im Dialog
Die Worte bringen uns dann – wie im Theater bei Augusto Boal die Szenen – in konstruktive Auseinandersetzungen: Bestätigungen und Vertiefungen, neue Fragen und Widersprüche der Interessen.
Das Bankiers-System in der Schule
glaubt immer noch an eine weiter zu gebende Wissensfülle, wie sie in unseren Schulbüchern steht, statt irgendwann wirklich zu akzeptieren, dass das eigene Forschen Lernen und auseinander setzen auch bei Kindern tatsächlich Fähigkeiten entwickelt und sichert.
Wie ein Bankier macht die Lehrkraft eine Einlage in das Gehirn der Schüler, und erwartet in der Abfrage eine korrekte Wiedergabe, keine kreative Veränderung oder konstruktive Verarbeitung.
Das Bulimie-Lernen ist auch an den Hochschulen durchgesetzt worden, durch die „Bologna-Reform“ in ECS-Zertifikate verwandelt, in Multiple Choice wie die Führerscheinprüfung auf „Richtigkeit“ reduziert.
Nürnberger Trichter war der alte Begriff, den die neuen selbtsorganisierten Lerngruppen des Wandervogel schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts in ihrer europäischen Bewegung als alten Denkfehler der Lehrer und Schulen entlarvten und mit einer Bewegung zu neuen Medien und eigenen selbstorganisierten Arbeits-Lagern entwickelten (ja, erst die Nazis pervertierten den neuen Ansatz!)
Adolf Reichwein entwickelte die Zeitleiste und den Schul-Film, er kam aus dem Wandervogel und beschäftigte sich mit den Formen der Reformpädagogik, am Ende sollte er in einer Regierung nach Hitler zum Kultusminister werden, was ihm den Tod durch Hinrichtung 1944 brachte.
Deutschland war in jenen Zeiten führend in der Reformpädagogik gewesen, und vor allem jüdische Seminar-Schulen hatten neue Formen des eigenständigen Lernens entwickelt, bevor sie zu fliehen hatten: Die meisten hatten frühzeitig die Bedrohung erkannt, in anderen Ländern ihr Überleben gesichert.
Bewusstseinbildung
Hilf, Schwester hilf
Paare stehen eingehängt, nur eines „spielt fangen“, bis sich die / der Verfolgte bei einem anderen Paar einhängt: Die / der nun Dritte am anderen Ende wird nun FängerIn und stürzt sich auf die / den bisherigen Fangenden. Falls gefangen wird, wechseln ebenfalls sofort die Rollen…
Statuen bauen
Generative Themen erfassen
*1954 rel päd grad und mal gelernter Schauspieler, über die Theaterpädagogik, die es vorher in der Arbeitsagentur noch gar nicht gab, aber dann auch in der Künstlersozialkasse seit etwa 1982
Als Gestalt-Coach und Supervisor lernte ich schon in der Ausbildung, dass ich „ein mächtiges Werkzeug“ (bayr. hoher Sozial-Beamter) hätte, aber die Mächtigen wissen es zu meiden. www.befreiungsbewegung.fairmuenchen.de
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