Die Geschwister Scholl waren im Ulmer Raum im Wandervogel aufgewachsen und von der nicht-militaristischen Art des gemeinschaftlichen Lebens in dieser Bewegung wie von ihrer evangelischen Familie geprägt.

Über den Wandervogel wurde aber auch in der Nachkriegszeit schnell wieder geschwiegen, weil die Nazi-Anwälte und Richter, Beamten und Polizisten ja ganz schnell nach der Zurücknahme der Entnazifizierung 1950 im Kalten Krieg wieder in Amt und „Würden“ waren, und es war nun wieder gefährlich, über die alten Freunde zu reden, auch wenn man nicht wusste, ob und wo sie überlebt hatten.

Für das Verständnis der Wege in den Nationalsozialismus ist die Erforschung der persönlichen Motive im damaligen Lebensfeld enorm wichtig, und eine verstehende Wieder-Erzählung für die nächsten Generationen im Bewusstsein des Postfaschismus, in dem wir aufgewachsen sind:

Die Verwirklichung „nationaler-sozialistischer“ Ideale in den 50er und 60er Jahren, mit allen brutalen Folgen des Krieges: Der Anteil der hierarchischen Kirchen-Herren und ihrer dienenden Damen, schlagende Lehrkräfte und das betroffene Schweigen der Mitschüler, Straf-Aktionen als Erziehungs-Vorstellung in den alten Köpfen bis heute.

International-Sozialistisch

Bis zum 1. Weltkrieg war der Sozialismus, so wie der literarische Anarchismus und der Feminismus, auch eine Friedensbewegung. Die Ideale der Internationale der Arbeiterschaft waren die Befreiung der Bevormundeten, die Selbstorganisation aller gleichberechtigten Menschen.

In königlich bayrischen Landtag hatte es 1917 schon einen entsprechend idealistischen Antrag gegeben:

Das Vorbild der russischen Revolution gegen den willkürlich herrschenden Zaren wirkte am 7. November 1918 in München, dem Jahrestag der Oktoberrevolution nach gregorianischem Kalender. Die damals mangelnde Erfahrung der demokratischen Organisation in eigenen Strukturen suchte nach Modellen.

Bolschewismus war zuerst ein positiver Versuch, eine demokratische, neue Gesellschaft zu definieren, ohne Adel, Obrigkeit und Hierarchie, und es gab verschiedene Linien der Aufbruchs-Zeit:

Der Monte Verità und der Wandervogel, Lebensreform

Die Revolution der Studentenschaften – nach den Ideen auf dem Wartburgfest 1817 – die demokratische Forderung von 1848/49 war niedergeschlagen worden, die Polizei-Apparate der europäischen Länder begannen die internationale Zusammenarbeit gegen jeden Aufruhr, in den patriarchal werdenden Burschenschaften brachten die „Alten Herren“ mit viel Freibier und gemeinsamem Pfeifen-Rauchen die „Füchse“ wieder in die passenden Karrieren, mit „Farben tragen“ und „Schmiß“, dem Degenfechten mit gezielter Verletzung, mit der Pflege ständischer Ordnung.

DAGEGEN und gegen den ungesunden Lebensstil der Zeit wandte sich die Bewegung am Monte Veritá, die dort ein Sanatorium aufbaute, zu dem auch Hermann Hesse zum Alkohol-Entzug gekommen war: Freikörper-Kultur verbreitete sich über aufgeschlossene Ärzte und Vereine auch in den Städten mit öffentlichen Sonnenbädern, um die allerdings die altbürgerliche Moral drei Meter hohe Holzwände ohne Astlöcher forderte, in Maria Einsiedel in München. aber auch im Berner „Bäreli“ sind sie immer noch zu finden. 

Naturisten wie Karl und Gusto Gräser hatten wie die Sozialisten in der Schweiz die Möglichkeit, sich ohne Polizeispitzel zu treffen, über Freie Liebe zu diskutieren, Ausdruckstanz und Gartenarbeit, Veganismus und Psycho-Analyse, und ihre Wirkungen in die Kunst und Theater der Städte blieben nicht aus: Wedekinds „Frühlings Erwachen“ und nackter Ausdruckstanz waren zwar verboten, aber um so interessanter in geschlossenen Aufführungen zu erleben.

Aufgeschlossene Pädagogen begannen mit Wandertouren, die sich zur Bewegung entwickelten: Auch Robert Jungk berichtete von gemeinsamen Ausflügen „ins Blaue“ an jedem Wochenende in der selbst organisierten Gruppe, von denen es die verschiedensten Gab: Jungs, gemischt, Mädchen, arisch, jüdisch, … und dann parallel auch die Jugendverbände der Sozialisten, der Kirchen, der militaristisch geordneten Pfadfinder.

National-Sozialistisch

war auch der bayrische Ansatz, die sozialistischen Ideen mit den alten Reichs-Nationalismen zu vermischen: König und Kaiser waren mit dem Adel als kirchliche Oberhäupter und Militaristen verbrannt, die Rechte der Frauen zwar formal im Wachsen, aber neu „geordnet“: Klein-Familien-Idyllen lösten die bäuerliche und die bürgerliche Großfamilie ab und nahmen die Realität der Arbeiterfamilien auf.

Die Abgrenzung zu den Sozialisten und Kommunisten (die 1917 als USPD aus der Sozialdemokratie als Pazifisten ausgeschlossen worden waren, sich erst als Spartakisten, dann 1919 als Kommunisten definierten) wurde vor allem mit falschen Bildern betrieben:

Bolschewisten wurde die Mehrheits-Fraktion in den russischen Räten, in den Sowjets genannt, und was ihnen in der Presse und Propaganda zugeschrieben wurde, war naiven Gemütern glaubhaft: „Die Sozialisierung der Frauen nimmt euch eure Mädel weg!“ konnte nur einer glauben, dem die Frau noch immer Besitz-Objekt war, aber es wirkte noch zur Zeit der Räterepublik.

der Faschismus

war zwar schon vorher Programm mit antisemitischem Rassismus, Anti-Ziganismus und Chauvinismus, die Vorstellung eines arischen Herrenvolkes“, aber in der Breite war die Propaganda vor Ort ja von den jeweils Einzelnen gemacht worden, die ihre Ideale in den Vordergrund stellten.

Da waren es auch reichlich Bischöfe und Pfarrer, die im Sinne des Anti-Bolschewismus predigten und die wachsende Gefahr der Massen-Mobilisierung und Übergriffe gegen Minderheiten nicht ernst nahmen, bis sie selber dann möglicherweise in der Verfolgung dran waren.

1936 hatten die Bischöfe noch ein lukratives Konkordat geschlossen, mit Kirchensteuer bis heute gültig … ein Nazi-Gesetz des Schweigens und der Zustimmung der Kirchen zur Judenverfolgung.

Die Geschwister

Ulm war eine beschauliche Domstadt an der Donau, mit ländlichen Umfeld, die Familie Scholl ist erst zugezogen. Der Vater Robert Scholl war 1917 Bürgermeister in Ingersheim an der Jagst und im Jahr 1919 auch in Forchtenberg gewesen. Die Mutter war Diakonisse. Die Wandervogel-Gruppen waren so frei …

Hans Scholl

Die  wikipedia-Seite bräuchte dringend eine Korrektur oder Überarbeitung in dem Bereich, der behauptet, die Scholl-Kinder wären vom Nationalsozialismus begeistert gewesen: Der Wandervogel als selbstbestimmte Gruppen-Erfahrung fehlt dort.

Das Ulmer Jungvolk, dem sich Hans Scholl im Oktober 1933 anschloss, war von Max von Neubeck aufgebaut worden. Dieser war ein ehemaliges Mitglied der Deutschen Jungenschaft vom 1. November 1929 (dj.1.11), einer bündischen Jugendgruppe.

Die Gruppe pflegte deswegen andere Stilformen, z. B. das Kohtenzelt, andere Lieder (u. a. russische) und trug eine andere Fahne als die Hitler-Jugend oder das Jungvolk. Dass sich von Neubeck nach seiner Beförderung zum Stammführer des Ulmer Jungvolks von den selbst eingeführten Formen und Gedanken der bündischen Jugend/dj.1.11 abkehrte, brachte Hans Scholl gegen ihn auf.

Assistiert von Ernst Reden (1914–1942) aus Köln, der als Soldat in Ulm diente, führte Hans Scholl mit seinem Fähnlein in der HJ eine dj.1.11-Horte von etwa zehn Schülern, weswegen er und seine Geschwister Inge, Sophie und Werner 1937 für kurze Zeit inhaftiert wurden.[1]

Der Grund von Hans Scholls Verhaftung waren [bündische Betätigung und ] homosexuelle Handlungen mit einem anderen Jungen. Gegen Hans Scholl und andere wurde ein Verfahren nach § 175 und wegen Fortsetzung der bündischen Jugend eröffnet.[2] Es wurde aber 1938 nach einer Amnestie eingestellt; Reden dagegen wurde zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.[3]

Die wichtigsten Erlebnisse, das Wandervogel-Leben, der Reichsparteitag 1936, die Lazarett-Arbeit in Minsk und Smolensk mit Alexander Schmorell und Christoph Probst, sind als Mehrklang zu sehen, die sein Engagement verstehbar machen.

Die Gleichschaltung

Nach der „Machtergreifung“ am 30.1.1933 folgte 1934 die Zusammenführung aller Jugendorganisationen in der Hitler-Jugend, doch versuchten die Ulmer Wandervogel-Gruppen, ihre selbst organisierte Kameradschaft intern zu erhalten und ging sogar auf eigene Faust noch auf „Große Fahrt“, was die Anzeige wegen Devisen-Vergehen zur Folge hatte, doch scheint der freisprechende Richter selbst eine Sympathie oder Verbindung zum Wandervogel gehabt zu haben. Genaueres in den neuen Biografien …

Sophie Scholl

ist die Bekannteste, denn ihre Geschichte ist am Leichtesten zu Glorifizieren gewesen, denn die Verfolgung der Homosexualität, die mit einer Anzeige nach §175 immer ruchbar war, ging im Postfaschismus formal bis 1992 weiter.

Inge, Elisabeth, Werner, … die Familie – sind hier noch zu ergänzen …

Die Freunde

Alexander Schmorell

Geboren am 16. September 1917 in Orenburg/Russland, zum Tode verurteilt am 19. April 1943, ermordet am 13. Juli 1943 in München.

– Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_Schmorell

Alexander Schmorell, auch heiliger … Hans und Sophie Scholl versuchte Schmorell mit Unterstützung verschiedener Bekannter und mit einem …

 Christoph Probst

Geboren am 6. November 1919 in Murnau/Oberbayern, zum Tode verurteilt und ermordet am 22. Februar 1943 in München.

Christoph Probst 1941Christoph Probst und seine Schwester wachsen in einem Elternhaus auf, das durch religiöse und kulturelle Offenheit geprägt ist. Der Vater erforscht Sanskrit und östliche Religionen. Die Maler Emil Nolde und Paul Klee, die später von den Nazis als „entartet“ diffamiert werden, sind Freunde der Eltern. Probst besucht Schulen, die sich humanistisch-liberalen Grundsätzen verpflichtet fühlen. Seine Stiefmutter ist Jüdin, und so erlebt die Familie unmittelbar die Bedrohung durch den Nationalsozialismus.

Im Dezember 1934 tritt Probst in die Hitlerjugend ein, ohne jemals Führungsaufgaben zu übernehmen. Mit dem Abitur 1937 endet seine Mitgliedschaft. Seit 1936 ist er mit seinem Schulkameraden Alexander Schmorell befreundet. Sie gehen wandern, nehmen Fechtunterricht, beschäftigen sich mit Literatur. 1939 hat Christoph Probst den obligatorischen Arbeits- und Wehrdienst hinter sich und beginnt in München sein Medizinstudium. Nach Kriegsbeginn kann er es als Soldat einer Studentenkompanie fortsetzen. Mit 21 Jahren heiratet er Herta Dohrn, 1940 und 1941 werden ihre Söhne geboren. (…)


Heute würden wir sie in neuer Arbeit sehen …    

Die Freunde

Alexander Schmorell

Biografie

Artikel mit verschiedenen Schwerpunkten zum Thema:

www.fairmuenchen.de/wandervogel

http://befreiungsbewegung.fairmuenchen.de/robert-jungk-atomstaat-kritiker/

Quellen
Genaueres in den neuen Biografien …
Hermann?
Wandervogel-Archiv
 
 
 
 

 

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